Ein Interview mit Dr. Björn Erben, OCP Darmstadt
Schmerzhafte Beschwerden an der Schulter in der Folge von Verletzungen oder krankhaften Veränderungen in diesem Bereich gehören zu den sehr häufigen Anlässen, eine Praxis mit Fachärzten für Chirurgie, Orthopädie bzw. Unfallchirurgie aufzusuchen. Herr Dr. Björn Erben gehört zu Fachärzten, die sich auf die Diagnose und Therapie der Schultererkrankungen besonders spezialisiert haben und er stellte sich freundlicherweise für “GesundLebenHeute” zur Beantwortung einiger Fragen zu diesem Thema zur Verfügung.
Stellen Probleme im Schulterbereich eine besondere Herausforderung für den behandelnden Arzt dar?
Dr. Erben:
Das Schultergelenk stellt eine Besonderheit dar. Die Behandlung sollte nur durch einen erfahrenen Schulterspezialisten erfolgen.
Dieses Kugelgelenk ist das beweglichste Gelenk unseres Körpers und soll Armbewegungen in alle Richtungen ermöglichen, wozu ein komplexes Zusammenspiel zwischen den knöchernen Teilen und den Weichteilen (Muskeln, Sehnen, Bändern) notwendig ist.
Bei den Patienten, die uns mit Schmerzen im Schulter-Arm-Bereich aufsuchen, muss zunächst geklärt werden, ob die Beschwerden wirklich auf krankheits- oder verletzungsbedingte Prozesse an der Schulter selbst zurückzuführen sind. Denn häufig können die Patienten ihre Schmerzen auch nicht nur im Schulterbereich lokalisieren, da es zu Ausstrahlungen in den Oberarm-Bereich oder in den Nacken kommen kann.
Welches sind die wichtigsten Ursachen für schmerzhafte Beschwerden, die sich unmittelbar auf den Schulter-Bereich beziehen?
Dr. Erben:
Viele Patienten mit Schmerzen an der Schulter weisen altersbedingte Verschleißerscheinungen oder veranlagungsbedingte Defekte auf. Sie sind häufig besonders durch nächtliche Schmerzen charakterisiert. Zu den Ursachen gehören krankhafte Veränderungen an der Rotatorenmanschette (tiefstes Muskelsystem der Schulter), Kalkablagerungen (sog. Kalkschulter), oder ein Impingement Syndrom (Engpasssyndrom mit Entzündung von Schleimbeutel und Sehnen). Einsteifungen der
Schulter könnenfunktionelloder als selbständiges Krankheitsbild (Frozen Shoulder) auftreten. In seltenen Fällen können Infektionen, Tumore oder rheumatische Erkrankungen als Ursache gefunden werden.
Auf der anderen Seite können Beschwerden an der Schulter auf Unfälle zurückzuführen sein, die zu Gelenk- und Knochenverletzungen führen. Auch Überlastungen – besonders bei einigen Wurfsportarten – können die Ursache für schmerzhafte Symptome an der Schulter sein. Letztlich muss der Schulterspezialist klären, was die Ursache der Beschwerden ist, ob und mit welchen Mitteln und Möglichkeiten eine Behandlung erfolgen kann und dann individuell mit dem Patienten das weitere Vorgehen abstimmen.
Welche diagnostischen Maßnahmen haben Sie, Herr Dr. Erben, als Schulterspezialist?
Dr. Erben:
Zunächst wird durch Befragung der Patienten geklärt, welche Beschwerden wo, seit wann und mit welcher Häufigkeit und Intensität auftreten. Es wird dann eine umfassende klinische Untersuchung der entsprechenden Region auf Beweglichkeit und Schmerzempfindlichkeit vorgenommen.
Hierzu stehen unterschiedliche Testverfahren zur Verfügung, die eine differentialdiagnostische Abklärung ermöglichen. Bei bestimmten Verdachtsmomenten und entsprechender Vorgeschichte werden auch Blutuntersuchungen bei Entzündungen vorgenommen.
Die Resultate dieser klinischen Untersuchungen tragen dann zur Entscheidung über den evtl. notwendigen Einsatz einer weiterführenden Bild-gebenden Diagnostik bei, wozu spezielle Röntgenaufnahmen, Ultraschall, Kernspintomographie (MRT), Computertomographie (CT), Szintigraphie und die Arthroskopie gehören. Während mit Röntgen und CT Veränderungen oder Schäden an knöchernen Strukturen erkannt werden können, dient die MRT der Abklärung von Schäden im Weichteilbereich (Sehnen, Muskeln).
Die Schulterarthroskopie (Spiegelung) erfolgt über kleine Hautschnitte mit Hilfe eines Endoskops, umschadhafte Veränderungen an Strukturen zu erkennen, die mit
Hilfe der Bild-gebenden Verfahren nicht sicher identifiziert werden können. Außerdem bietet dieses Verfahren zeitgleich die Möglichkeit, Schäden an der Schulter direkt zu beseitigen.
Wie wird man eigentlich Schulterspezialist?
Dr. Erben:
Bereits vor ca. 15 Jahren als Oberarzt in meiner damaligen Klinik habe ich eine Spezialsprechstunde für Schulterchirurgie aufgebaut.
Seitdem beschäftige ich mich kontinuierlich schwerpunktmäßig mit der speziellen Gelenkchirurgie und habe eine Großzahl entsprechender operativer Eingriffe durchgeführt.
In meiner Tätigkeit in unserer OCP (Orthopädisch-Chirurgische Praxis) habe ich mich konsequent weiterentwickelt.
Damit gehen wir direkt zu Therapie über.
Welche Therapieziele stellen Sie Ihren Patienten vor?
Dr. Erben:
Im Vordergrund steht natürlich die Beseitigung der Schmerzen sowie der Erhalt oder die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit.
Ebenso gehören prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden sowie zur Unterstützung der Regenerationsprozesse zum Therapieangebot.
Da gibt es interessante neue Verfahren, die zurzeit auf den internationalen Kongressen publiziert und vorgestellt werden. Nicht immer ist gleich eine Operation erforderlich. Häufig ist eine gute Physikalische Therapie schon der Schlüssel zum (Therapie-) Erfolg.
Unter welchen Bedingungen gehen Sie zunächst konservativ (nicht-operativ) vor, und wann empfehlen Sie den Patienten den operativen Eingriff?
Dr. Erben:
Die Empfehlung zur konservativen Behandlung oder zur Operation hängt bei jedem Patienten von den individuellen Gegebenheiten und auch von der persönlichen Situation ab. Letztlich ist die langjährige Erfahrung in der Schulterbehandlung ganz entscheidend für den Patienten das individuelle Behandlungskonzept zu erstellen. Zum Beispiel werden von mir Kalkschultern ohne Begleiterkrankungen mit der Stoßwelle erfolgreich behandelt.
Zusätzlich muss meistens ein individuell ausgerichtetes physiotherapeutisches Programm eingeleitet werden, das der Wiederherstellung der Beweglichkeit des Gelenks, der Harmonisierung des Muskelzusammenspieles und dem Wiederaufbau der Muskelkraft dienen soll. Hierzu gehören Krankengymnastik, manuelle Therapie oder Gerätetraining.
Operativ angegangen werden knöcherne Engpasssyndrome mit und ohne Sehnenverletzungen, Instabilitäten und Arthrosen.
Bei den operativen Verfahrenwurde die Arthroskopie bereits erwähnt. Welche Risiken sind damit verbunden?
Dr. Erben:
Die Schulterspiegelung ist bei fachgerechter Durchführung unkompliziert und mit sehr wenigen Risiken verbunden. In sehr seltenen Fällen können Infektionen auftreten, deshalb sollte man auch nicht leichtfertig operieren.
Welche offenen Schulteroperationen kommen infrage?
Dr. Erben:
Ich kann mit Hilfe der endoskopischen Arthroskopie (Schlüssellochverfahren) alle Schäden amS chultergelenk versorgen. Bei ausgedehnten Zerstörungen kann sich die Notwendigkeit der offenen Versorgen ergeben.
Welche nachhaltigen Aussichten ergeben sich heute und in Zukunft für Patienten mit Schultererkrankungen?
Dr. Erben:
Auf den internationalen Schulter- und Kniegelenkkongressen sehe ich, dass wir in den letzten Jahren enorm viel erreicht haben. Die modernen diagnostischen Möglichkeiten haben einen sehr hohen Standard, der eine gezielte Behandlung mit ebenfalls modernen Methoden gestattet, und es kann noch mit weiteren Fortschritten gerechnet werden, die einer Verbesserung der Aussicht auf Heilung zerstörter Gelenkteile oder Weichteile dienen werden.
Andererseits hat die Zunahme unserer Lebenserwartung auch zu vermehrten Fällen von Abnutzungserkrankungen geführt, bei denen die Aussicht auf Heilung natürlich eingeschränkt ist. Die Ansprüche an die eigene Mobilität steigen. Das betrachten wir als unsere Herausforderung gezielt unseren Patienten zu helfen.
Das Gespräch führte:
Dr. Ernst M.W. Koch, Alsbach
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